Montag, 9. August 2010

Flucht unmöglich: alle verstrahlt!

SWR2 Leben gehört offenbar zu den 9% der Deutschen, die man beschreiben muss als "gesundheitlich beeinträchtigt durch Strahlung, inbesondere durch Handys und ihre Masten". Während Mediziner in von Mobilfunkfirmen gesponsorten Seminaren gehirngewaschen werden, leiden die Elektrosensiblen in der Sendung "Flucht unmöglich, Elektrosensible in Deutschland":

http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/leben/-/id=660174/nid=660174/did=6290602/u1q2ue/index.html

Da ist z. B. Frau Berg (Name von der Redaktion geändert), die am Baggersee nicht schläft und in jeder Wohnung - soweit die selektive Wahrnehmung das zulässt - blind die Mobilfunkantenne gegenüber orten kann; nur leider nicht in kontrollierten Studien. Aber es gibt ja auch unkontrollierte Studien, wie z.B. die unverblindete Handy-Blutverklumpungsstudie bei Jugend forscht - und außerdem ist das ja auch schrecklich individuell alles.

Tragende Pseudowissenschaftssäule des Beitrags ist Lebrecht von Klitzing, dessen Reputation offenbar aus der Verwandtschaft mit einem Physik-Nobelpreisträger besteht. Herr Klitzing erzählt einiges über seine Privatmessungen, deren Ergebnisse man in peer-reviewten wissenschaftlichen Zeitschriften leider nicht findet. Fast unbemerkt gibt es bei 18 Minuten 30 dann noch die wirkliche Erklärung des Phänomens Elektrosensibilität, aber dann kommt schnell eine letzte Anekdote aus dem Funkloch und zum Ende bricht auch noch Frau Berg zusammen.

Zum Runterkommen empfehle ich die WHO-Informationsseite zum Thema Elektrosensibilität:

http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs296/en/

Und zum Schluß wieder zurück zum Anfang: In der Einführung zur Sendung werden so einige natürliche Strahlungsquellen erwähnt, die uns neben den Handys und DECT-Telefonen schon unsere ganze Menschheitsgeschichte lang begleiten. Und was kommt da noch vor kosmischer Strahlung und Sonnenstrahlung? Die "Erdstrahlen"!

http://de.wikipedia.org/wiki/Erdstrahlen

Jetzt aber schnell das Schutzamulett!

Sonntag, 8. August 2010

Wissenschaft im Land der Superlative

Das Zentralministerium für Imagepflege der Volksrepublik China hat im Bayerischen Rundfunk einen Beitrag platziert mit dem Thema "Wissenschaft in China: zwischen Tradition und Hightech":

http://www.br-online.de/bayern2/iq-wissenschaft-und-forschung/iq-china-wissenschaft-ID1277905004828.xml

Die an Superlativen reiche Sendung ("das älteste Land der Erde", "das bevölkerungsreichste Land der Erde"...) ist viel zu lang zum Anhören (26:09) und nervt mit dramatischen Pfeifenmusik- und Trommeleinspielungen. Zu Beginn werden anekdotisch irgendwelche TCM-Storys (Traditionelle Chinesische Medizin) abgelutscht, und 88-jährige chinesische Mediziner werden "selbst (zum) Beweis für die Kraft der chinesischen Heilkunst" - weil sie ja 88 Jahre als geworden sind und toll Deutsch sprechen können. Danach drehen wir eine Runde über Pflanzenheilkunde, Vietnamkrieg und Agrarwirtschaft - inhaltlich kein roter Faden da und im Detail auch nicht diskussionswürdig.

Extrem ärgerlich ist aber die uneingeschränkte Ehrfurcht gegenüber dem "sagenhaften" Land mit der "eigenen Kultur und den speziellen Werten". In China "herrschte schon eine Hochkultur, als unsere Vorfahren mit der Steinaxt durch den Wald liefen". Und was ist daraus geworden? Heute sprechen sie dem BR ins Mikrofon von verstopften Chis ("Chi - die Lebensenergie") und rühren auf der ganzen Welt ordentlich die Werbetrommel für ihren Kräuterklimbim. Im eigenen Land wiederum sind ja bekanntlich alle gesund und fit und gut informiert.

Ich freue mich schon auf die Sendung "Menschenrechte in China".

Mittwoch, 14. Juli 2010

Sauber und ohne Gegenleistung - knauser knauser

Nicht völliger Humbug, aber mal wieder fröhlich-naiv moderiert: Ökostrom haltbar machen mit Radio Eins Die Profis am 15. Mai 2010:

http://www.radioeins.de/programm/sendungen/die_profis/archivierte_sendungen/die_profis_vom_160.html

In der recht jugendlichen Vorstellung der Moderatorin geht der berühmte "Ökostrom" (Sie wissen schon: diese Überkapazitäten, von denen wir immer hören - "toter Strom") über zwei Verfahren, die sie nicht so richtig aussprechen kann, in unser Auto und unseren Fön. Ihre mit hörbar größter Ahnungslosigkeit gestellte Frage ist, wie man denn wohl Gas speichern kann. Hm, womöglich mit Gasspeichern…? Der arme Interviewpartner.

Zwergerbsen im Gleichgewicht

Die BR-Sendung "IQ - Wissenschaft und Forschung" sollte sich vielleicht in "ÄääÖhh - Anekdoten und Polemik" umbenennen. Dieser Eindruck bleibt nach dem Hören des Beitrags "Homöopathie - Wunschdenken oder Wissenschaft" vom 29.06.2010:

http://www.br-online.de/bayern2/iq-wissenschaft-und-forschung/iq-iq-homoeopathie-semmler-ID1276588429614.xml

Da werden alle stilistischen Register gezogen, um uns von der Wirkung von Homöopathie auf Mensch, Kind und Erbse zu überzeugen. Ich spare mir weitere Unterhaltungsworte und schließe mit den Worten des kleinen Patienten Jens: das macht mir "Angst vor Alles". Anbei mein Brief an den Bayerischen Rundfunk.

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Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte Ihnen ein Feedback geben zu der IQ-Sendung "Homöopathie" vom 29.06.2010, die ich heute als Podcast gehört habe.

Den aktuellen SPIEGEL-Titel zum Thema Homöopathie haben Sie sicherlich zur Kenntnis genommen. Wie kommt es, dass Ihre eigene Recherche so anders ausgefallen ist? Hört man den IQ-Beitrag, so kommt man zu der Überzeugung, dass Sie nicht wissenschaftlich korrekt berichten WOLLEN. Das finde ich schade und für einen öffentlich-rechtlichen Sender auch sehr bedenklich.

Es fällt zunächst der Stil des Beitrags auf. Emotionale persönliche Einzelberichte von Homöopathie-Anhängern unterlegen Sie mit harmonischer Klaviermusik, wissenschaftliche Texte lassen Sie durch Schauspieler in arroganter Intonation vorlesen. O-Töne von Befürwortern nehmen kein Ende, Kritiker der Homöopathie sprechen in Ihrem Beitrag nicht. Wieso verlassen Sie hier die Neutralität?

Dann die verwendete Sprache: Sie formulieren als Kommentar zur großen Meta-Analyse z.B. "bestenfalls kommt er (der Schulmediziner) zu dem Schluss, Homöopathie SEI ein Placebo". Ein paar Sätze später dann der Indikativ, als der Mitarbeiter einer Lobbygruppe seine Neuuntersuchung der Meta-Analyse vortragen darf und Sie kommentieren "das heißt, in der Studie WURDEN Äpfel mit Birnen verglichen". Genauso: "Auf diese Neuauswertung HAT Prof. Eggert nie reagiert, erzählt der Statistiker Lydke". Weiter geht's wieder im Konjunktiv: "Wenn von Kritikerseite immer wieder behauptet wird, es GÄBE keine aussagekräftigen Studien zur Homöopathie, dann ist das falsch." Fällt Ihnen etwas auf? Wieso verwenden Sie diese suggestiven Mittel?

Ausserdem ist auffällig, dass Sie unverblümt die Marketing-Füllworte der Homöopathie-Lobby aufgreifen und schwammige Begriffe wie die Abgrenzung zur "Schulmedizin", aber auch die beliebten Phrasen "individuell abgestimmt", "komplexes System", "geprüfte Substanzen", "ins Gleichgewicht bringen" in Fülle verwenden. Höre ich noch eine Wissenschafts- oder eine Werbesendung, wenn folgender Satz ertönt: "Damit würde Homöopathie ähnlich wie der menschliche Organismus funktionieren, der ja auch versucht, immer wieder ins Gleichgewicht zu kommen."? Dieser Satz klingt nach fragwürdigem Verkaufsfernsehen, das keine inhaltlich belastbare Aussagen macht - mal davon abgesehen, dass einer naturwissenschaftlich gebildeten Redaktion dieser Satz als Humbug auffallen müsste.

Im Grunde sagen Sie es ja selber in Ihrer Sendung: hochkarätige wissenschaftliche Zeitschriften wie Lancet beschreiben klar das Ende der Homöopathie, aber anekdotische Evidenz, persönliche Erfahrungen und gläubige Anhänger stehen dahinter. Von welcher Interessengruppe wollen Sie sich denn als nächstes überreden lassen, die Zeit einer Wissenschaftssendung zu stehlen?

Mit freundlichen Grüßen,
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Sonntag, 14. März 2010

Von den Sommerferien zum frühen Feierabend - die absurd große Freizeit deutscher Lehrer

Hätten Sie's gewusst? Auf der Suche nach der Weltformel "setzen die Physiker schon lange nicht mehr auf die ganz sauberen naturwissenschaftlichen Methoden, sondern bemühen auch immer wieder ganz astreine Spekulationen, die manchmal eher an esoterischen Hokuspokus erinnern". Klingt frech? Nun, hier ist einer, der es weiß: Alexander Unzicker, ein Gymnasiallehrer aus München. Herr Unzicker diplomierte vor 20 Jahren in einem meteorologischen Thema zum Physiker. Danach machte er so dies und das, unter anderem einen Doktor in einem gänzlich anderen Fach, arbeitete fröhlich als Lehrer und hat zur Physik keine einzige wissenschaftlich anerkannte (z.B. peer-reviewte) Veröffentlichung beigetragen - so zumindest kann man das in seiner im Internet zugänglichen Vita nachlesen. Völlig ungeachtet dessen führt Radio Eins in der Sendung Die Profis am 27.02.2010 mit ihm folgendes Interview:

http://download.radioeins.de/mp3/_programm/8/20100227_1040.mp3

Herr Unzicker hat nämlich die Welt mit einem wissenschaftsspöttischen Buch beglückt: "Vom Urknall zum Durchknall - die absurde Jagd nach der Weltformel".

Und so lernen wir im Interview, dass die Physik sich heutzutage nicht mehr am Experiment orientiert, die Theoretiker nur noch phantasieren (ausserdem wenig leisten), der Radio Eins Moderator den Namen der Europäischen Organisation für die Kernforschung CERN nicht richtig aussprechen kann, und dass das berühmte Standardmodel der Teilchenphysik "eigentlich kein Theoretiker mehr so gerne mag". Große Anmaßungen von jemandem, dessen professionelle Physik sich in einer Schule mit musischer Ausbildungsrichtung abspielt.

Für Herrn Unzicker gilt also in erster Linie sein eigener letzter Satz im Interview: "lernen, bescheidener zu werden (...) - vielleicht haben wir uns auch verlaufen".

Radio Eins kann ich nur immer wieder empfehlen, ihre Profi-Wissenschaftssendung auch etwas Profi-mäßiger vorzubereiten. Kleiner Workshop mit den Themen: wie erkenne ich Spinner, Blender und Scharlatane? Ist "Poster auf der Messe Wuppertal und Vortrag an der Volkshochschule Schöneberg" eine ernstzunehmende Veröffentlichungsliste? Wieso ist nicht jeder "Dr." auch ein guter Arzt?

Freitag, 29. Januar 2010

Doofe Wissenschaftler, doch dann Lob für Quatsch der gut in die Sendung passt

Vom RBB-Sender Radio eins sind wir ja einiges gewohnt im Umgang mit wissenschaftlichen Themen. Wenn ich das richtig höre, gab es vor ein paar Jahren sogar noch eine Astrologie-Show. Glücklicherweise sind wir die jetzt los, aber ich mache mir trotzdem Gedanken. Die folgende Anmoderation in der Sendung 2 auf 1 ("Zwei Mann, ein Thema") am 24.01.2010 sagt eigentlich schon alles.

http://download.radioeins.de/mp3/zwei_auf_eins/2a120100124.mp3

Thema der Sendung ist "Besucher" (Besuch bei den Schwiegereltern, Knastbesuch usw); im letzten Beitrag geht es um außerirdische Besucher. Das Interview gibt ein redseliger emeritierter Physikprofessor mit lustigem südwestdeutschen Akzent, der Millionen von ausgestorbenen und 4000 aktuelle außerirdische Zivilisationen zählt (im Abstand von Tausend Lichtjahren übrigens) und der grundsätzlich recht wunderlich rüberkommt. Bedeutsam finde ich auf jeden Fall die Einführung des Moderators, die ich hier unkommentiert aufschreiben möchte:

"Immer wieder enttäuschen uns Wissenschaftler in Interviews. Physiker, Astronomen, Astronauten: sie alle sagen uns, schlagt euch außerirdische Besucher aus dem Kopf. Besuch aus dem All wird es auf der Erde nicht geben. "Und sowas nennt sich Wissenschaftler?", haben wir uns gesagt, und weitergesucht. Bis wir einen Mann gefunden haben, der sagt, es gibt sogar Millionen intelligente Zivilisationen in unserer Milchstraße. Na, das loben wir uns mal!"

Mittwoch, 18. November 2009

Die Lunge ist die Ehefrau vom Dickdarm (Wandlungsphase Metall)

Das östlichste und einwohnerärmste Bundesland Österreichs ist das Burgenland. Aus dem dortigen Landesstudio des österreichischen Rundfunks ORF kommen die unterhaltsamen
"Gesundheitstips von Miriam Wiegele":

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Ausnahmslos alle Folgen haben ihren Reiz, denn laut ORF Burgenland berät uns "Miriam Wiegele (...) vor allem auf der Basis der Traditionellen Abendländischen Medizin aber auch der Rationellen Phytotherapie". Ein guter Einstieg ist die Folge vom 13. Oktober zur Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM).

Hier wird der Blick nämlich endlich mal auf das wirkliche Herzstück der TCM gelenkt: die Kräuterheilkunde. Dabei geht es interessanterweise gar nicht um die Inhaltsstoffe der vielen Pflanzen und Pulver, die in der TCM eingesetzt werden, sondern um deren energetischen Wirkung auf den Menschen. Eine kurze "Pulsdiagnose" durch den TCM-Arzt, und dann sagt er z.B. "Aha, sie haben eine Qi-Leere!" und wir stärken mit Qi-Tonika den Lungen- und Dickdarm-Meridian. Das machen wir aber nur, weil wir uns gerade in der Wandlungsphase Metall befinden - in einer anderen Wandlungsphase würden wir womöglich ein anderes Körperteil-Ehepaar stärken.

Nach dem langen Yin-Yang-Ausflug von Frau Wiegele landen wir übrigens am Ende bei der Empfehlung, jetzt in der kalten Jahreszeit zu einem Tee aus Süßholz oder Ingwer zu greifen. Der steht ja glücklicherweise in jedem Traditionellen Europäischen Hofer-Regal.