Sonntag, 15. November 2009

Und wenn's nicht funktioniert, und wenn's auch keiner erklären kann, dann trotzdem nicht als unwirksam darstellen!

SWR 2 versucht es mal mit differenzierter Darstellung der alternativen Heilmethoden und bringt in der Reihe SWR2 Wissen den Beitrag "Nadeln, Kräuter und Potenzen - was taugen alternative Heilmethoden?":

http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/-/id=660374/nid=660374/did=5392858/640e0q/index.html

Wir lernen von Einzelpersonen, denen Duftkerzen und chinesische Nadeln geholfen haben, und wir erfahren fürderhin, dass es für das erste Thema keine relevanten Untersuchungen, für das zweite aber richtig viele Untersuchungen, nur leider keinen Wirknachweis gibt. Zumindest wirkt die Verblindungsmethode "Scheinakupunktur" (Nadeln einfach irgendwo rein) genauso gut wie "wahre" Akupunktur (Nadeln in die Meridiane, in der bekanntlich die Lebensenergie Qi fliesst). Beide Methoden wirken übrigens interessanterweise deutlich besser als die konventionelle (z.B. pharmakologische) Therapie bei bestimmten Schmerzbeschwerden:

http://de.wikipedia.org/wiki/GERAC_-_German_Acupuncture_Trials

Die German Acupuncture Trials sind eine umfassende Untersuchung zum Thema Wirksamkeit der Akupunktur. Die untersuchten Deutschen hatten offenbar eine ausgeprägte Erwartung an ihre chinesische Behandlung - und dann war es auch egal, wo man sie im Endeffekt eigentlich so mit den Akupunkturnadeln stach. "YinYang, meine Zuversicht" heisst es dazu sehr schön im Beitrag.

Auf jeden Fall ist auch der Herr Michalsen aus Berlin (siehe Eintrag vom 14.11.) bei diesem Beitrag wieder mit dabei. Er spricht unter anderem zum Thema Homöopathie, und sein Lieblingsthema scheint in diesem Zusammenhang die Verklärung des Placebo-Effekts zu sein:

"Wir wissen ja noch nicht mal, was zwischen Arzt und Patient geschieht. (...) Ob da Resonanzphänomene zwischen einem gegenseitigen Verstehen ablaufen, vermittelt durch die Texte der Homöopathie (...) [und] ob das der Mediator des Effekts ist oder das Kügelchen, das kann Ihnen niemand sagen. Das ganze System ist das, was wirkt."

Und, wir erinnern uns, der Placebo-Effekt wird ja heutzutage grundsätzlich überschätzt:

Michalsen: "Aus Mangel an Erkenntnis sagen wir, das ist alles Placebo. Das ist aber nicht die Realität. Die Realität ist, wir wissen nur nicht, was genau es birgt." Und dass es nicht besser wirkt als Scheinmedikamentierung, das wissen wir eigentlich auch. Aber der Höhepunkt kommt erst noch, und er bringt eine phänomenale Verdrehung der Begriffe mit sich:

Michalsen: "... dass wir vielleicht in zehn Jahren sagen können: diese Placebo-Stufe wird besser durch Homöopathie bedient, eine andere besser durch Akupunktur, und eine dritte mehr durch ganz normale schulmedizinische Medikamente. Also dass man dann einfach in der Lage ist das besser zu verstehen, was eigentlich Heilung ausmacht."

Moment mal: Heilung ist das Ziel, erreicht wird es grundsätzlich durch ein Mysterium namens "Placebo", und das wirkt in "Stufen", die sich von Ibuprofen genauso triggern lassen wie von Zuckerkugeln oder Akupunkturnadeln...? Wer hat denn diese Generation von deuschen Medizinern ausgebildet?!

Aber so ganz schlecht ist der Beitrag ja eigentlich gar nicht. Unverständlich ist nur, warum die an sich klaren Aussagen zur Unwirksamkeit der verschiedenen alternativen Heilmethoden nicht für sich sprechen dürfen, sondern immer wieder mit den üblichen Argumenten des "Offenbleibens" und des Abwendens vom "entweder - oder" verwässert werden. Die SWR-HörerInnen werden schon nicht gleich zum Möbelhauseröffnungs-Bumms-Radio wechseln, wenn ihnen mal 20 Minuten lang eine fundierte, ernsthafte Übersicht über den aktuellen Kenntnisstand gegeben wird. Danach können sie ja immer noch voll Wut und Scham am Knöpfchen drehen und sich den Rest des Tages die bunte Mischung aus subjektiven Lokalwettermeldungen, englischsprachigen Retortenschlagern und den Werbebeiträgen von Fensterscheibenreparaturwerkstätten mit patentierten Verfahren anhören.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen