Mittwoch, 18. November 2009

Die Lunge ist die Ehefrau vom Dickdarm (Wandlungsphase Metall)

Das östlichste und einwohnerärmste Bundesland Österreichs ist das Burgenland. Aus dem dortigen Landesstudio des österreichischen Rundfunks ORF kommen die unterhaltsamen
"Gesundheitstips von Miriam Wiegele":

feed://static.orf.at/podcast/bgldmagazin/podcast_20.xml

Ausnahmslos alle Folgen haben ihren Reiz, denn laut ORF Burgenland berät uns "Miriam Wiegele (...) vor allem auf der Basis der Traditionellen Abendländischen Medizin aber auch der Rationellen Phytotherapie". Ein guter Einstieg ist die Folge vom 13. Oktober zur Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM).

Hier wird der Blick nämlich endlich mal auf das wirkliche Herzstück der TCM gelenkt: die Kräuterheilkunde. Dabei geht es interessanterweise gar nicht um die Inhaltsstoffe der vielen Pflanzen und Pulver, die in der TCM eingesetzt werden, sondern um deren energetischen Wirkung auf den Menschen. Eine kurze "Pulsdiagnose" durch den TCM-Arzt, und dann sagt er z.B. "Aha, sie haben eine Qi-Leere!" und wir stärken mit Qi-Tonika den Lungen- und Dickdarm-Meridian. Das machen wir aber nur, weil wir uns gerade in der Wandlungsphase Metall befinden - in einer anderen Wandlungsphase würden wir womöglich ein anderes Körperteil-Ehepaar stärken.

Nach dem langen Yin-Yang-Ausflug von Frau Wiegele landen wir übrigens am Ende bei der Empfehlung, jetzt in der kalten Jahreszeit zu einem Tee aus Süßholz oder Ingwer zu greifen. Der steht ja glücklicherweise in jedem Traditionellen Europäischen Hofer-Regal.

Sonntag, 15. November 2009

Und wenn's nicht funktioniert, und wenn's auch keiner erklären kann, dann trotzdem nicht als unwirksam darstellen!

SWR 2 versucht es mal mit differenzierter Darstellung der alternativen Heilmethoden und bringt in der Reihe SWR2 Wissen den Beitrag "Nadeln, Kräuter und Potenzen - was taugen alternative Heilmethoden?":

http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/-/id=660374/nid=660374/did=5392858/640e0q/index.html

Wir lernen von Einzelpersonen, denen Duftkerzen und chinesische Nadeln geholfen haben, und wir erfahren fürderhin, dass es für das erste Thema keine relevanten Untersuchungen, für das zweite aber richtig viele Untersuchungen, nur leider keinen Wirknachweis gibt. Zumindest wirkt die Verblindungsmethode "Scheinakupunktur" (Nadeln einfach irgendwo rein) genauso gut wie "wahre" Akupunktur (Nadeln in die Meridiane, in der bekanntlich die Lebensenergie Qi fliesst). Beide Methoden wirken übrigens interessanterweise deutlich besser als die konventionelle (z.B. pharmakologische) Therapie bei bestimmten Schmerzbeschwerden:

http://de.wikipedia.org/wiki/GERAC_-_German_Acupuncture_Trials

Die German Acupuncture Trials sind eine umfassende Untersuchung zum Thema Wirksamkeit der Akupunktur. Die untersuchten Deutschen hatten offenbar eine ausgeprägte Erwartung an ihre chinesische Behandlung - und dann war es auch egal, wo man sie im Endeffekt eigentlich so mit den Akupunkturnadeln stach. "YinYang, meine Zuversicht" heisst es dazu sehr schön im Beitrag.

Auf jeden Fall ist auch der Herr Michalsen aus Berlin (siehe Eintrag vom 14.11.) bei diesem Beitrag wieder mit dabei. Er spricht unter anderem zum Thema Homöopathie, und sein Lieblingsthema scheint in diesem Zusammenhang die Verklärung des Placebo-Effekts zu sein:

"Wir wissen ja noch nicht mal, was zwischen Arzt und Patient geschieht. (...) Ob da Resonanzphänomene zwischen einem gegenseitigen Verstehen ablaufen, vermittelt durch die Texte der Homöopathie (...) [und] ob das der Mediator des Effekts ist oder das Kügelchen, das kann Ihnen niemand sagen. Das ganze System ist das, was wirkt."

Und, wir erinnern uns, der Placebo-Effekt wird ja heutzutage grundsätzlich überschätzt:

Michalsen: "Aus Mangel an Erkenntnis sagen wir, das ist alles Placebo. Das ist aber nicht die Realität. Die Realität ist, wir wissen nur nicht, was genau es birgt." Und dass es nicht besser wirkt als Scheinmedikamentierung, das wissen wir eigentlich auch. Aber der Höhepunkt kommt erst noch, und er bringt eine phänomenale Verdrehung der Begriffe mit sich:

Michalsen: "... dass wir vielleicht in zehn Jahren sagen können: diese Placebo-Stufe wird besser durch Homöopathie bedient, eine andere besser durch Akupunktur, und eine dritte mehr durch ganz normale schulmedizinische Medikamente. Also dass man dann einfach in der Lage ist das besser zu verstehen, was eigentlich Heilung ausmacht."

Moment mal: Heilung ist das Ziel, erreicht wird es grundsätzlich durch ein Mysterium namens "Placebo", und das wirkt in "Stufen", die sich von Ibuprofen genauso triggern lassen wie von Zuckerkugeln oder Akupunkturnadeln...? Wer hat denn diese Generation von deuschen Medizinern ausgebildet?!

Aber so ganz schlecht ist der Beitrag ja eigentlich gar nicht. Unverständlich ist nur, warum die an sich klaren Aussagen zur Unwirksamkeit der verschiedenen alternativen Heilmethoden nicht für sich sprechen dürfen, sondern immer wieder mit den üblichen Argumenten des "Offenbleibens" und des Abwendens vom "entweder - oder" verwässert werden. Die SWR-HörerInnen werden schon nicht gleich zum Möbelhauseröffnungs-Bumms-Radio wechseln, wenn ihnen mal 20 Minuten lang eine fundierte, ernsthafte Übersicht über den aktuellen Kenntnisstand gegeben wird. Danach können sie ja immer noch voll Wut und Scham am Knöpfchen drehen und sich den Rest des Tages die bunte Mischung aus subjektiven Lokalwettermeldungen, englischsprachigen Retortenschlagern und den Werbebeiträgen von Fensterscheibenreparaturwerkstätten mit patentierten Verfahren anhören.

Samstag, 14. November 2009

Nicht spezifisch erklärbare Wortbeiträge

Da hat Radio Eins erneut den Fehler gemacht, die unbedarfte Moderatorin mit der charismatischen Autorität zu kombinieren. Heute gab's in der Sendung "Die Profis" einen Beitrag mit dem Titel "Was kann Homöopathie?":

http://download.radioeins.de/mp3/_programm/8/20091114_dp_homoeopathie.mp3

Und, wie sollte es anders sein: es "belegt" mal wieder "die Erfahrung" so einiges. Zu Gast war Andreas Michalsen vom Immanuel-Krankenhaus in Berlin:

http://www.immanuel.de/immanuel-diakonie-gmbh/bereiche/unternehmenskommunikation/nachrichten/berliner-stiftungsprofessur-fuer-naturheilkunde

Endlich haben wir hier auch einen aus der Gruppe vom Blutegel-Dobos (siehe Beitrag vom 20.03.09) vor Ort, falls mal was an den Gelenken quietscht.

Auf jeden Fall gibt uns Michalsen den differenzierten Wissenschaftler und bezeichnet die Wirkweise von Homöopathie saubererweise als "letztlich nicht erklärbar". Danach folgt die übliche rhetorische Runde: Abgrenzung "harte Schulmediziner" auf der einen Seite, "Grundlagenwissenschaftler" auf der anderen, dann noch ein bißchen was zu Informationen in Wassermolekülen - und immer wieder der Beweis der Erfahrung.

Aber dem Herrn Michalsen mache ich ja (hier, an dieser Stelle) gar keinen Vorwurf. Aber warum hat Radio eins das Interview (schon wieder) von einer so ahnungslosen Person führen lassen?

Den investigativen Moderationsbeitrag Nummer 1 kann man gänzlich unkommentiert stehenlassen. Moderatorin: "Ich persönlich probiere ja gerne alles mögliche aus (...), habe (...) mir Globuli geben lassen, probiere ich jetzt seit 3 Wochenenden am Stück (...), und es hilft rein gar nichts. Können Sie mir sagen, warum es nicht hilft, wenn Sie schon nicht wissen, warum es hilft?".

Dann knallhart der Beitrag Nummer 2, der wahrscheinlich so in großen Buchstaben auf dem Zettelchen von der Redaktion steht: "Kritiker meinen ja (...) die Erfolge sind einzig und allein dem Placebo-Effekt zu schulden".

Das Thema nimmt Michalsen gerne auf und verliert sich in einem fröhlichen Quarkschwall-Monolog. In Paraphrase: Mit dem Begriff Placebo ist man ja heute ganz, ganz vorsichtig geworden. Ein Beispiel: operieren sie Menschen z.B. bei Bauchbeschwerden und operieren dabei eine Grupe nur zum Schein, die andere wirklich, dann sind die Ergebnisse nachher die gleichen. Okay, vielleicht tut der Arzt oder auch das Medikament zur Heilung etwas Spezifisches dazu. Und die Erfahrung der Placebowirkung betrifft ja gar nicht die Homöopathie, sondern die ganze Medizin. (Hier schon den Zusammenhang verloren?) Und überhaupt: wenn wir mal nicht die langweiligen wissenschaftlichen Studien anschauen, sondern nur die Patienten, "sogenannte Beobachtungsstudien" - was bringt's dem Menschen?- dann bringt sie viel. Und eigentlich ist es dann auch egal warum.

Sein Fazit zur Homöopathie: sie "hat eine wissenschaftliche Seite, die ist sehr komplex, und dann eine prophane, eine alltägliche, da reicht es eigentlich nur zu sagen: die Homöopathie hilft".

Puh, da bedanken wir HörerInnen der Wissenschaftssendung von Radio Eins uns aber nochmal ganz herzlich, dass Herr Michalsen uns nicht überschätzt und mit wissenschaftlichen Hintergründen gequält hat. Und wir erinnern uns an den Beginn des Einspielers zu diesem Interview, denn da heisst es passenderweise:

"Dumm bleibt dumm, da helfen keine Pillen".

Sonntag, 5. Juli 2009

Blutschwitzende Bayernwunder

Deutschlandfunk berichtet in der offenbar weitgefassten Kategorie "Hintergrund Politik" über eine beunruhigende neuartige Bluter-Krankheit bei jungen Kälbern:

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/981169/

Die Tiere bluten sichtbar aber ohne oberflächliche Verletzungen und verenden häufig an ihrer Krankheit. Das Ganze ist Bauern wie Bayern neu (in diesem Bundesland scheint die Krankheit vermehrt aufzutreten) und wird derzeit von verschiedenen Disziplinen wissenschaftlich untersucht.

Nicht untersuchen, sondern gleich was Passendes "entwickeln", tut eine ortsansässige Tierheilpraktikerin: sie behandelt mit dem "potenzierte(n) Gift der amerikanischen Waldklapperschlange in Form von Globulis". Wichtige Info: "Die sind auch bei Ebola mit auf der 'Materia medica', bei Gelbfieber zum Beispiel". Sie stehen also in irgendeinem der mannigfaltigen Homöopathie-Lehrbücher:

http://de.wikipedia.org/wiki/Materia_medica

Nach eigener Aussage ist der Erfolg groß, denn 18 von 23 mit Zuckerkugeln behandelte Kälber haben überlebt. Was sie genau überlebt haben, wissen wir allerdings nicht, weil weder vorher noch nachher geprüft wurde, ob die Kälber überhaupt unter der neuen Bluter-Krankheit gelitten haben. Vielleicht waren ja 5 der 23 Kälber Bluter...?

Deutschlandfunk auf jeden Fall behauptet erst, die Heilpraktierin hätte mit ihrer Methode "Erfolg", rudert dann zurück und erklärt, dass leider niemand die Kälber wirklich so recht untersucht hat. Mittendrin der schöne Satz: "Trotz der Erfolge warnt die Tierheilpraktikerin vor zu großer Euphorie. Auch sie kann keine Wunder erwirken".

Sie erwirkte also mit großer Wahrscheinlichkeit:

- medizinisch gar nichts, aber ein wenig Einkommen
- eventuell einen Plazebo-Effekt
- und eine angenehme Medienaufmerksamkeit.

Montag, 6. April 2009

Artificial leeching

Ein Nachwort zur Blutegel-Therapie gegen Knie-Arthrose: Schein-Blutegel gibt es wirklich! In einer Studie an der Uni-Klinik Aachen vom letzten Jahr wurden Blutegel und ihre Schein-Artgenossen verblindet auf Arthrose-PatientInnen losgelassen. Dabei wurde der Egel-Effekt durch Nadelstiche und feuchte Mullbinden simuliert:

"The bite of the leech was simulated with a needle prick at the predetermined sites. To obtain a realistic effect in the region of skin contact, wet gauze was formed to resemble the size and form of a leech and placed at the site."

Leider kam die Pampe bei den PatientInnen nicht Egel-mäßig genug rüber, und so schließt die Studie mit einer kritischen Diskussion des Verblindungsversuchs. Die Zusammenfassung befindet sich hier:

http://www.informaworld.com/smpp/section~content=a793116764~db
=all~dontcount=true~fulltext=713240929?start=793132359

Sonntag, 5. April 2009

Angst um die Zukunft

Die Nachrichten heute morgen auf motor.fm machen Angst. Da heißt es nämlich, der amerikanische Präsident Barack Obama habe sich bei seinem Besuch in Prag für eine "atomfreie Zukunft" ausgesprochen. Das möchte ich mir allerdings lieber nicht vorstellen, denn "die gesamte von uns wahrnehmbare, unbelebte und belebte Materie unserer irdischen Umgebung besteht aus (...) Atomen".

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Atom

Und Obama hat sich ja auch glücklicherweise nur für eine Welt ohne Atomwaffen ausgesprochen.

Freitag, 20. März 2009

Zwei bis drei lokal angewendete Blutegel

Bayern 2 radioWissen beschäftigte sich unlängst mit dem Placebo-Effekt:

http://www.br-online.de/podcast/mp3-download/
bayern2/mp3-download-podcast-radiowissen.shtml

Sehen wir kurz darüber hinweg, dass gleich zu Anfang von der "Überzeugung von Homöopathie" im gleichen Satz wie vom "Glauben an die Schulmedizin" gesprochen wird, so handelt es sich doch um eine eingermaßen passable Sendung über den Placebo-Effekt. Der Beitrag erwähnt zumindest, dass sich Medikamente bei ihrer Zulassung in Deutschland gegen Placebos durchsetzen müssen (d.h. wirksamer sein müssen). 

Als Experte tritt Prof. Gustav Dobos von der Uni Duisburg-Essen auf. Das ist die deutsche Hochschule mit dem schicken Lehrstuhl für Naturheilkunde, auf den ich jetzt mal unkommentiert verweisen möchte:

http://www.uni-duisburg-essen.de/
naturheilkunde/de/tcm/kontakt.php

Herr Dobos selbst z.B. "tut sich schwer" mit Homöopathie, bemüht sich aber, verschiedene andere Formen der Alternativmedizin ins rechte Licht zu rücken.

(An dieser Stelle eine kleine Bemerkung zu seinen Aussagen. Es stimmt nicht, dass homöpathische Behandlungen sich bei Mittelohrentzündung von Kindern als erfolgreich erwiesen haben. Das kann man z.B. hier nachlesen:

http://www.liebertonline.com/doi/abs/10.1089/act.2008.14509 )

Aber es bleiben ja noch viele andere spannende Verfahren. Im Beitrag wird berichtet, dass Herr Dobos mit großem Erfolg die Wirksamkeit folgender Methoden erforscht hat:

1) Akupunktur gegen Schmerzen
2) Blutegeltherapie gegen Kniegelenk-Arthrose

Thema 1) ist ein wenig langweilig. Die aktuellen Studien verwenden üblicherweise "wahre Akupunktur" vs. "Schein-Akupunktur" (auf Englisch "sham acupuncture"), bei der die Nadeln einfach wild irgendwo appliziert werden. Leider lassen sich diese Studien nie doppelblind* durchführen, sodass die methodologischen Kriterien einer seriösen medizinischen Studie nicht einzuhalten sind.

(* Doppelblindheit ist das wichtigste Kriterium bei Studien zur Wirksamkeit von Medikamenten bzw. Placebos. Einfachblind ist eine Studie, wenn der/die PatientIn nicht weiß, ob er/sie Medikament oder Placebo bekommt. Doppelblind ist die Studie, wenn auch der/die behandelnde/r Arzt/Ärztin das nicht weiß. Es gibt sogar Dreifachblind. Das ist, wenn die AutorInnen von Blogs nicht mehr wissen, wann sie am besten mit ihren Einschüben aufhören.)

Die Akupunkturstudien von Herrn Dobos sind logischerweise nicht doppelblind, da hier von denselben Experten für Akupunktur mal die richtigen und mal die falschen Punkte im Körper gepiekst werden. Also leider keine besondere Lanze für dieses Verfahren.

Viel lustiger ist aber Thema 2). Es lohnt sich besonders der Blick in die wissenschaftliche Veröffentlichung:

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18407413

Hier werden den Arthrose-PatientInnen nämlich "2-3 locally applied leeches", also lokal angewendete Blutegel, oder eine ordentliche Dosis "topical diclofenac", Schmerzmittel, verabreicht. Leider auch wieder nicht doppelblind - interessanterweise nicht mal einfachblind, oder wurde hier eine Kontrollgruppe eingerichtet, die mit Schein-Blutegeln behandelt wurde? Vielleicht kann man da ausgediente Nürnberger Würstchen für nehmen. Auf jeden Fall ist Herr Dobos in Wahrheit gar nicht so überzeugt von seiner Egel-Studie wie BR2 ihm das unterstellt. Gegenüber dem MDR zumindest spricht er von einer "vermutlich(en) (...) Kombination aus Placeboeffekt, wie er auch bei schulmedizinischen Behandlungen auftreten kann, sowie spezifischen neurophysiologischen Mechanismen".

http://www.mdr.de/hauptsache-gesund/6220900.html

Jaja, das tritt ja auch alles bei der Schulmedizin auf. Aber da glitschen dann keine kleinen schleimigen Ringelwürmer auf einem rum.

Mittwoch, 18. März 2009

Deutschlandfunk in unaufhebbarer Unsicherheit

Ein freischwebend nomadisierender Beitrag bei Deutschlandfunk "Essay und Diskurs". Thema ist die Zukunft des Radios:

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/essayunddiskurs/892682/

Und was wir alles darin lernen. Wir RadiohörerInnen leben in einem "mönchisch anmutenden Gelübde visueller Enthaltsamkeit", und eine Schweizer Künstlerin mit unterhaltsamem Namen sucht "in einer neu begründeten Sound-Art das Heil angesichts des in glatter Affirmation erstarrten Visuellen". Es geht um "Ich-Radio, (...), den allgemeinen Trend der Medien zu Mikrokanälen, zum medialen Monadensystem". Es geht um "fatale Flüchtigkeit".

Noch mehr: "Die Beschäftigung mit Radio spiegelt das Wissen um die Zerbrechlichkeit gesellschaftlichen Zusammenlebens, und das Bewusstsein der eigenen Einsamkeit. Es ist ein Bedürfnis nach Kommunikation, das im Radiohören nach Befriedigung sucht, aber das Freischwebende seines Sendens erzeugt keine kollektive Erfahrung, sondern verstärkt die Einsamkeit des Hörers."

Da fühlen sich die meisten RadiohörerInnen wohl kaum ertappt. Aber es steckt ja auch etwas viel Archaischeres dahinter, nämlich "ein Stück Wiedergutmachung an dem schreienden Unrecht, das der gesprochenen Sprache durch die Hybris des Gedruckten zuteil wurde."

Und wie kommt eigentlich das arme Wort "planetar" in die Kiste mit den bedeutungslosen Fülladjektiven, deren Inhalt man fröhlich über seinen Texten ausstreut?

"Aber heute ist unsere Wirklichkeit eine Mediavision der Welt, ein Instrument, das uns instrumentalisiert, ausgestattet mit einer planetar wirksamen Antriebskraft. Je mehr unsere Verfügungsgewalt über die Dinge zunimmt, umso weniger gelingt uns die rationale Verfügung über diese Verfügungsgewalt selbst."

...und so kommt man doch mal ungeplant zum Schmunzeln, während man "das epistemologische Potential dieses Sinnes (des Hörens) voll zur Entfaltung zu bringen" sucht. An dieser Stelle wage ich mal eine provokante Aussage, die ich in einfachen Worten formulieren will: Im Radio gibt es Musik und Sprache. Eine tolle Mischung, wenn man gerade den Sinn dafür frei hat.

Montag, 16. März 2009

FachinformatikerIn für Stereotypie

Der Bayerische Rundfunk ist Fachinformatiker für Stereotypie. In der Reihe "Ich mach's!" stellt BR die wirklich unglaublichsten Berufe vor:

http://www.br-online.de/podcast/video-download/
br-alpha/mp3-download-podcast-ich-machs.shtml

Vom Zerspannungsmechaniker, Brauer und Mälzer, KFZ-Mechatroniker, Feldwebel bei der Bundeswehr bis zum Zupfinstrumentenbauer, Glasbläser, Verwaltungsbeamten mittlerer Dienst, Leichtflugzeugbauer, Verfahrensmechaniker für Kunstsoff und Kautschuktechnik, Lokführer - alle in Bayern anerkannten, bei Teenagern beliebten Berufe dabei.

Am Anfang dachte ich ja noch, die Berufsbezeichnungen seien aus Gründen der Gleichbehandlung alle in männlicher Form gehalten. Bei Florist z.B. dachte ich das noch... aber dann folgten: die Hauswirtschafterin, die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte und die Zahnarzthelferin. (Oder ist Fachangestellte maskulin Nominativ Plural?) Dann bleibt für die moderne Dame ja auf den ersten Blick erstmal nur noch Hauswirtschafterin ("10 Mohnzöpfe backen (...), ach ja, und dann noch schnell 200 Schälchen Apfelgrütze mit Zimtsahne dekorieren") oder die Sache mit dem Bereitlegen der Instrumente - und natürlich das Kümmern, Kümmern, Kümmern.

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Okay, muss mein Bild ein bißchen revidieren. Schaut man sich die Beiträge einfach mal an, dann lauern zwar immer noch an jeder Ecke Stereotypen und Stereotypinnen, aber zumindest werden die meisten Berufe mit der korrekten Bezeichung (habe bei der Bundesagentur für Arbeit nachgeschaut) angeführt: Kaufmann/ Kauffrau, Angestellter/ Angestellte etc. Was dann aber offenbar doch nicht ging, war "Zahnarzthelfer". Liegt das am vielen Aufräumen und der Reinlichkeit? Wo doch Einfühlsamkeit und Spass an körperlicher Nähe auch dazu gehören! Nicht entgehen lassen, Jungs.

Sonntag, 15. März 2009

Knisterstimmung im Bayerischen Rundfunk

Es wird am tiefgründigen und leidenschaftlichen Skorpionmond liegen, dass ich selten den Bayerischen Rundfunk höre. Habe mir heute mal einen Überblick über das BR-Programm verschafft und dabei festgestellt, dass BR3 eine Horoskop-Sendung mit einer Frau namens Leslie Rowe hat:

http://www.br-online.de/bayern3/stars-und-storys/
horoskope-leslie-rowe-sterne-ID1204877844213.xml

Naja, immerhin als "Story" einsortiert.

Interessant ist, dass die gleiche Dame auch die Sendung "radioWissen" auf BR 2 moderiert. Lustiger sind allerdings ihre Tipps aus der astrologischen Phrasendreschmaschine. Dieses Wochenende wird zum Beispiel deswegen unruhig, weil der "astrologische Konditionstrainer Mars seine Sporttasche bei den Wassermännern packt und bis morgen zu den (...) emotionalen Fischen umzieht". Was das bedeuten soll? Zeit für eine Dosis BR2 radioWissen.

Radio Eins "Die Profis" auf dem Diamantweg

Eine sehr irritierende Sache bei Radio 1 gestern. Die "Wissenschaftssendung" "Die Profis" (hier weiss man gar nicht mehr, wo man überall Anführungszeichen setzen soll) beschäftigte sich am 14.03.2009 mit einem bunten Strauss Deutschländer Allerlei - Entstehung von Gezeiten, Früherkennung von Amokläufen, Sex und Musik von Teenagern. Und mittendrin plötzlich "Lama Ole Nydahl", ein buddhistischer Lehrer mit pressierender Nachmittagsveranstaltung am selben Tag in Berlin.

Die Sendung wurde zusammengehalten von einer Moderatorin mit sympathischer Stimme aber leider nur dekorativer Aufgabe. Lama Nydahl zumindest bekam ein herrliches Forum, um Werbung für seine Veranstaltungen zu machen und nebenher eine Reihe Unfug zu erzählen. Größte Relevanz haben für uns sicher die folgende Weisheiten:

1. Raum = Wissen.
2. Form = Leerheit.

Und toll ist, dass Nydhal endlich jemanden gefunden hat, der ihm diesen Quatsch beweisen kann. Das sind nämlich "die da unten in Genf" (beim CERN, dem Europäischen Kernforschungszentrum). Nydhal weiss zwar nicht mehr genau, wie das Experiment heisst, und ich weiss nicht genau, in welchem Zusammenhang das zu den oben genannten Aussagen steht, aber jetzt schicken sie sich "da unten" endlich daran, zu beweisen, dass "es keine Masse gibt" und "keine materielle Basis für die Welt".

Die Sendung ist im Link nachzuhören:

http://www.radioeins.de/programm/sendungen/die_profis/
archivierte_sendungen/die_profis_vom_141.html

Ich spare mir weitere Kommentare und poste den Brief, den ich an Radio 1 gesendet habe.

"Liebe Redaktion,

die Sendung "Die Profis" am 14.03.09 hat mich sehr irritiert. Ein buddhister Lehrer als geladener Studiogast? Werbung für seine Nachmittagsveranstaltung in einer "Wissenschaftssendung"? Das müssen Sie Ihren HörerInnen mal erklären.

Vielleicht unterstellen sie Ole Nydahl ja die Kompetenz, seriös über Naturwissenschaften zu sprechen. Woran leiten sie das ab, an seinem Bekunden allgemeinen Interesses ("Ich war mal da, am DESY und da unten in Genf.")? Jemand, der "Raum=Wissen" vom CERN bewiesen wähnt und "Form=Leere" in den aktuellen Forschungsprojekten der Teilchenphysik erkennt, hat hier wohl eher ein Amateurverhältnis. "Es gibt keine materielle Basis für die Welt", und beim LHC leben gestandene Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen von der "Hoffnung, irgendetwas zu finden". Leider alles Zitate Ihres Gastes, die unkommentiert im Raum standen. Gut für mich, dass ich in Beschleunigerphysik promoviert habe und Nydahls Äußerungen daher richtig einordnen kann - als grossen Unsinn nämlich. Schlecht für andere HörerInnen Ihrer Sendung, die in anderen Gebieten ausgebildet sind und daher auf eine gute Moderation angewiesen sind.

Und in diesem Punkt hat mich Ihre Sendung wirklich enttäuscht. Die Stilblüten der Moderatorin waren laienhaft und teilweise äußerst schmerzlich. Besonders trifft der infantile Satz " Wissenschaftler glauben an das, was sie sehen". Vielleicht empfiehlt es sich, dass sie sich in Ihrer "Wissenschaftssendung" mal der Frage widmen, was eigentlich wissenschaftliche Methode ist. Überprüfbarkeit und Falsifizierbarkeit sind hier wichtige Begriffe. Ich biete mich gerne zur Vorbereitung einer solchen Sendung an und bin mir sicher, Dauergäste wie Mark Benecke sind hier ebenfalls dabei. Und wenn Sie schon Ihre/r HörerInnen nicht direkt auf diesen wichtigen Punkt stossen wollen, dann bilden Sie doch bitte Ihre ModeratorInnen besser in den Grundlagen des wissenschaftlichen Denkens aus. Der Einfluss einer schlecht moderierten, wissenschaftlich fragwürdigen Sendung mit wissenschaftlichem Duktus ist auf anderweitig gebildete HörerInnen nämlich sehr gefährlich.

Mit freundlichen Grüssen,
KG"

Mein Lieblingswissenschaftler TK hat auch geschrieben. Vielleicht zugänglicher formuliert? Radio 1 erhält von ihm Folgendes:

"Gerne höre ich am Samstg morgen ihre Sendung "Profis". Leider finde ich in letzter Zeit, dass Demagogen wie Otto Rössler oder wie am letzten Samstag Ole Nydahl ein unkritisches Forum gegeben wird, ihre krude Message zu verbreiten.

Die Moderatorin bezeichnet das Programm "Profis" als Wissenschaftssendung. Was heisst Wissenschaft? Wissenschaft ist Forschung und Lehre, Forschung ist die methodische Suche nach Erkenntnis.

Die Wissenschaftler am CERN und bei DESY arbeiten daran, Phänomene der Natur kritisch zu hinterfragen und zu beschreiben.

Die Moderatorin der Sendung mit Ole Nydal hat keinen kritischen Standpunkt eingenommen und diente nur als Stichwortgeberin für eine Person, die in der Öffentlichkeit kontrovers wegen rechter, frauenfeindlicher und Islamdenunzierender Äusserungen diskutiert wird.

Wissenschaft heisst auch Lehre, die Weitergabe von Wissen. Eine Sendung zu wissenschaftlichen Methoden, zum kritischen Denken kann uns Hörern wahrscheinlich mehr Erkenntniss bringen als die transzendenten Auslassungen ausgewählter Demagogen."

TK zitiert mir ausserdem gerade ein paar herrlich weltliche Äusserungen Nydahls im Interview mit der Deutschen Welle:

http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,3566255,00.html

Wenn der Lama soviel Spass am kritischen Denken wir an schnellen Autos hätte, dann könnte man den ja vielleicht wirklich mal in eine Radio-Wissenschaftssendung einladen...