Freitag, 20. März 2009

Zwei bis drei lokal angewendete Blutegel

Bayern 2 radioWissen beschäftigte sich unlängst mit dem Placebo-Effekt:

http://www.br-online.de/podcast/mp3-download/
bayern2/mp3-download-podcast-radiowissen.shtml

Sehen wir kurz darüber hinweg, dass gleich zu Anfang von der "Überzeugung von Homöopathie" im gleichen Satz wie vom "Glauben an die Schulmedizin" gesprochen wird, so handelt es sich doch um eine eingermaßen passable Sendung über den Placebo-Effekt. Der Beitrag erwähnt zumindest, dass sich Medikamente bei ihrer Zulassung in Deutschland gegen Placebos durchsetzen müssen (d.h. wirksamer sein müssen). 

Als Experte tritt Prof. Gustav Dobos von der Uni Duisburg-Essen auf. Das ist die deutsche Hochschule mit dem schicken Lehrstuhl für Naturheilkunde, auf den ich jetzt mal unkommentiert verweisen möchte:

http://www.uni-duisburg-essen.de/
naturheilkunde/de/tcm/kontakt.php

Herr Dobos selbst z.B. "tut sich schwer" mit Homöopathie, bemüht sich aber, verschiedene andere Formen der Alternativmedizin ins rechte Licht zu rücken.

(An dieser Stelle eine kleine Bemerkung zu seinen Aussagen. Es stimmt nicht, dass homöpathische Behandlungen sich bei Mittelohrentzündung von Kindern als erfolgreich erwiesen haben. Das kann man z.B. hier nachlesen:

http://www.liebertonline.com/doi/abs/10.1089/act.2008.14509 )

Aber es bleiben ja noch viele andere spannende Verfahren. Im Beitrag wird berichtet, dass Herr Dobos mit großem Erfolg die Wirksamkeit folgender Methoden erforscht hat:

1) Akupunktur gegen Schmerzen
2) Blutegeltherapie gegen Kniegelenk-Arthrose

Thema 1) ist ein wenig langweilig. Die aktuellen Studien verwenden üblicherweise "wahre Akupunktur" vs. "Schein-Akupunktur" (auf Englisch "sham acupuncture"), bei der die Nadeln einfach wild irgendwo appliziert werden. Leider lassen sich diese Studien nie doppelblind* durchführen, sodass die methodologischen Kriterien einer seriösen medizinischen Studie nicht einzuhalten sind.

(* Doppelblindheit ist das wichtigste Kriterium bei Studien zur Wirksamkeit von Medikamenten bzw. Placebos. Einfachblind ist eine Studie, wenn der/die PatientIn nicht weiß, ob er/sie Medikament oder Placebo bekommt. Doppelblind ist die Studie, wenn auch der/die behandelnde/r Arzt/Ärztin das nicht weiß. Es gibt sogar Dreifachblind. Das ist, wenn die AutorInnen von Blogs nicht mehr wissen, wann sie am besten mit ihren Einschüben aufhören.)

Die Akupunkturstudien von Herrn Dobos sind logischerweise nicht doppelblind, da hier von denselben Experten für Akupunktur mal die richtigen und mal die falschen Punkte im Körper gepiekst werden. Also leider keine besondere Lanze für dieses Verfahren.

Viel lustiger ist aber Thema 2). Es lohnt sich besonders der Blick in die wissenschaftliche Veröffentlichung:

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18407413

Hier werden den Arthrose-PatientInnen nämlich "2-3 locally applied leeches", also lokal angewendete Blutegel, oder eine ordentliche Dosis "topical diclofenac", Schmerzmittel, verabreicht. Leider auch wieder nicht doppelblind - interessanterweise nicht mal einfachblind, oder wurde hier eine Kontrollgruppe eingerichtet, die mit Schein-Blutegeln behandelt wurde? Vielleicht kann man da ausgediente Nürnberger Würstchen für nehmen. Auf jeden Fall ist Herr Dobos in Wahrheit gar nicht so überzeugt von seiner Egel-Studie wie BR2 ihm das unterstellt. Gegenüber dem MDR zumindest spricht er von einer "vermutlich(en) (...) Kombination aus Placeboeffekt, wie er auch bei schulmedizinischen Behandlungen auftreten kann, sowie spezifischen neurophysiologischen Mechanismen".

http://www.mdr.de/hauptsache-gesund/6220900.html

Jaja, das tritt ja auch alles bei der Schulmedizin auf. Aber da glitschen dann keine kleinen schleimigen Ringelwürmer auf einem rum.

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